„Schließe keine Kompromisse! Du bist alles, was du hast!“ Janis Joplin
So viele Kompromisse! Ich dachte immer, dass Kompromisse etwas Gutes seien. Kluge Menschen gehen Kompromisse ein. Ich musste stets Kompromisse schließen. Gar nicht so verwunderlich, wenn man 5 Geschwister hat und in einer Gesellschaft aufwächst, wo Bescheidenheit und Kompromissbereitschaft die höchsten Tugenden zu seien scheinen. Also habe ich das gar nicht hinterfragt. Ich habe es einfach mitgemacht. Gleichzeitig war so gar kein Raum für Individualität. Individuen waren Rebellen oder Außenseiter. Ich wollte und sollte Beides nicht sein.
Doch als ich Mutter wurde und sich alles auf den Kopf stellte, merkte ich, dass ich auf dem Kopf einfach viel besser sehen kann.
Ein Kompromiss ist nie erfüllend, weil keiner von beiden wirklich das lebt, was er sich wünscht. Es verwunderte mich daher nicht, als ich bei mir mit Bewusstseinsarbeit begann zu erkennen, dass innerhalb einer Beziehung, die nur durch Kompromisse funktioniert, immer beide verlieren. Es sind nicht nur die Kompromisse, die wir schließen, sondern mit welcher Energie wir sie schließen. Wenn wir sie aus dem Verstand schließen, finden wir keinen Zugang zu den Kompromissen. Unser Unterbewusstsein speichert ab, dass wir unsere wahren Wünsche zurückstecken und uns auf etwas einlassen, was unser Herz gar nicht abgesegnet hat. Dieser Kompromiss wird dann irgendwann zu unserem Schmerz. Je schmerzhafter die Kompromisse sind, umso mehr verlieren wir unsere Lebensfreude und fangen an zu funktionieren. Am Ende wissen wir gar nicht, warum es nicht mit dem Partner klappt oder die Beziehung zu unseren Kindern destruktiv ist und suchen im Außen die „Schuldigen“ bzw. die vernünftigen Gründe. Wer nicht sagt, was seine wahren Wünsche und Träume sind, verleugnet sich immer und immer wieder selbst.
Zurückstecken, damit es den Kindern gut geht …
Rücksicht nehmen, weil der Partner so viel arbeitet …
Die volle Verantwortung der emotionalen Entwicklung der ganzen Familie übernehmen…
Sich selbst und seine Fähigkeiten hinterfragen …
Ach ja, und dann neben der “perfekten” Mutter und Ehefrau, auch noch Karriere machen oder sich ganz dem Leben einer Hausfrau hingeben und akzeptieren, warten bis …
Ich war auch wieder arbeiten ohne dass ich bereit war meine Kinder in eine Betreuung zu geben, aus Angst, dass ich etwas verpasse, nicht mehr mithalten kann und weil ich Karriere machen wollte.
Wie sehr wollte ich Anerkennung dafür, dass ich tolle und vernünftige Kompromisse eingehe. Die werden wir nie bekommen.
Hat man wirklich für die eignen Kinder zurückgesteckt oder den Kinder vorgelebt, dass man zurückstecken muss, weil es einen anderen Weg nicht gibt?
Nimmt man wirklich Rücksicht auf den Partner oder sammelt man so viel Frust und Ärger an, um irgendwann zu explodieren?
Seit wann sind wir Mütter alleinerziehend? So viele Frauen leben in Beziehungen und sind doch alleinerziehend. Früher hat ein ganzes Dorf auf ein Kind aufgepasst. Heute soll eine Mutter alles alleine schaffen und am besten nicht sagen, dass sie Hilfe braucht, ob sozial oder emotional?
Wann haben diese Kompromisse in unserem Leben angefangen? Wieso habe ich auch nur für eine Minute angenommen, dass ich so wirklich authentisch und glücklich leben könne? Das funktionierte ohne meine Kinder, mehr oder weniger. Aber mit meinen Kindern ging das nicht. Ich bin ihre erste Beziehung in ihrem Leben und damit das Frauenbild, das sie prägt.
Oft sagten meine Söhne: Ich will! Ich will aber! Mit meinem Verstand versuchte ich ihnen zu erklären, warum das gerade nicht geht. Aber in mir rebellierte alles! Ich merkte, dass unser ganzes Leben ein einziger Kompromiss ist. Wollte ich wirklich, dass meine Kinder Kompromisse eingingen, die sie gar nicht wollten. Wollte ich wirklich, dass sie denken, dass alles Leben aus Arbeiten und Anpassung bestünde? Darin steckt kein bisschen Lebensfreude. Ich selbst war ja nicht glücklich ständig Kompromisse einzugehen. Ich konnte es auch einfach nicht mehr hören: Wie soll das gehen? Das Wie war mir irgendwann nicht mehr wichtig. Mir war mein Warum umso wichtiger. Warum habe ich diese Gefühle? Warum habe ich ein Problem damit meinen Söhnen zu sagen, dass es nicht anders geht? Warum sollte ich ihnen heute beibringen, dass Schule etwas Gutes sei, wenn sie sagen, dass sie nicht in die Schule wollen? Warum sollte ich sie auf eine Zukunft vorbereiten von der ich für sie doch gar nicht weiß, wie sie werden wird? Es ist Kontrolle. Wir leben in einer Gesellschaft, wo so viel kontrolliert wird. Wir lenken uns von uns selbst ab, in dem wir auf andere schauen, auf andere projizieren, von anderen erwarten, unsere Kinder zu vernünftigen Erwachsenen werden, anstatt sie dabei zu begleiten sich ihrer selbst bewusst zu sein. Würde jeder sein Ego oder Ego-Verhalten verstehen, bräuchte die Welt vielleicht keine Kompromisse mehr, weil es ganz normal wäre gemeinschaftliche Lösung für alle zu finden.
Wie viele Mütter und Ehefrauen geben ihre Träume und Wünsche auf, weil sie in einem Umfeld leben, wo alle das so machen? Was ist so schlimm daran an seine Träume zu glauben und Individualist zu sein? Wird das Kollektiv wirklich bedroht? Jedes Kollektiv entsteht durch Individualisten. Je gesünder und bewusster ein Individualist ist, umso gesünder und bewusster ist das Kollektiv. Wäre es nicht so schön, wenn Mütter und Frauen sich wieder zusammentäten, um ihren Kinder vorzuleben, dass alles Leben Erfahrung ist, die jeder selbst machen muss, aber von einem gesunden, bewussten und glücklichem Kollektiv gehalten wird.
Die Veränderungen in meinem Leben waren unaufhaltbar. Ich konnte nicht eine Ehe weiterführen, die nicht authentisch war. Wir haben funktioniert. Keiner von uns beiden war wirklich glücklich. Ich glaube auch, dass die Ehe, wie wir sie heute noch leben nicht lange bestand haben wird. Ich glaube auch, dass wir aufhören müssen unsere Kinder “zu erziehen”, solange wird selbst nicht geheilt sind. Fast alle Menschen, wenn nicht alle, wachsen mit Wunden auf, mit unterdrückten Träumen und einem tiefen Gefühl der Unzulänglichkeit. Schaffen wir Eltern/Frauen es unsere eigenen emotionalen Wunden zu heilen, verändert sich unsere ganze DNA. Mit der Veränderung unserer DNA heilen wir nicht nur 7 Generationen, die nach uns kommen. Wir geben unseren Kindern im Hier und Jetzt geheilte emotionale Muster weiter. Für mich gibt es keinen größeren Dienst an der Menschheit, als die Mutter zu sein, die ich sein will, ganzheitlich gesund. Wenn ich noch vor der Geburt meiner Kinder mich selbst nicht so wichtig nahm, musste ich erkennen, dass ich mehr als wichtig bin. Mutter zu sein ist nicht nur der schnellste Weg zur Heilung (meine Kinder sind es mehr alles andere auf der Welt wert), sondern auch der kürzeste Weg zu Heilung der ganzen Welt. Jeder gesunde Erwachsene ist eine absolute Kraftquelle für die Gesundheit der Menschheit. Jede Mutter und jeder Vater hat die Chance mit ihrer eigenen Heilung Generationen, die nach ihnen kommen zu heilen. Wenn wir Frieden in der Welt wollen, sollten wir in uns und mit den Kompromissen anfangen, die uns Energie, Kraft und Lebensfreude kosten.
Wir können immer nur geben, was wir sind. Es ist eine Illusion helfen zu können, wenn man sich selbst keine große Hilfe ist. Ich sage auch nicht, dass es einfach ist. Ich sage immer, dass es sich lohnt! Es lohnt sich mehr als alles andere auf der Welt. Es ist Balsam für die Seele und absolute innere Sicherheit, die wir im Außen kaum finden können. Schaffen wir es in uns, werden wir es mehr und mehr nach außen geben. Wir hören auf länger danach zu suchen, sondern verbreiten es mehr und mehr!
Schaffen wir es aus der Kontrolle auszusteigen, geben wir dem ganzen Leben einen ganz neuen Sinn, eine ganz neue Wendung und eine ganz neue Leichtigkeit. Nichts ist bedroht, wenn wir sind, wer wir sind. Alles und jeder ist bedroht, wenn wir aus uns etwas machen, was wir nicht sind! Ich erlebe jeden Tag, das wahre, tiefe Glück, das nicht darin besteht nach Außen hin etwas darzustellen, sondern in sich, wer zu sein.
Deine Gülay